Ansprache Seiner Majestät des Königs an die hohen Amtsträger des Landes

Sehr geehrter Herr Premierminister,
ich danke Ihnen für Ihre herzlichen Worte und guten Wünsche. Ich wünsche Ihnen alles Gute für den Beginn dieser neuen Legislaturperiode.
Ich möchte auch den Mitgliedern der scheidenden Exekutive für ihre Arbeit in den letzten Jahren danken.
Meine Damen und Herren,
Die Welt um uns herum ist ziemlich aus den Fugen geraten. Sicherheiten und Grundsätze wie die Achtung der nationalen Souveränität und des internationalen Rechts, fairer Handel und Multilateralismus − all dies sind Säulen, auf denen unsere Nachkriegswelt aufgebaut war und die nun stark unter Druck stehen.
Angesichts dieser Umwälzungen ist es wichtig, das zu bewahren, was Europa und unser Land stark macht: Zusammenarbeit und Einheit in Vielfalt. Die Europäische Union wurde auf diesen beiden großen Fundamenten aufgebaut. Auf dieser Grundlage wird sie auch in der Lage sein, sich selbst zu verändern und es ihren Mitgliedstaaten, darunter Belgien, zu ermöglichen, ihren Platz in der Welt zu behalten.
Fast acht Monate nach den Wahlen vom 9. Juni ist das neue föderale Team endlich bereit, seine Arbeit aufzunehmen. Das Land hat mit Spannung auf diesen Moment gewartet, nachdem im vergangenen Jahr bereits vier unserer Regional- und Gemeinschaftsregierungen gebildet wurden.
Leider ist dies in der Region Brüssel-Hauptstadt noch nicht der Fall, wo die Verhandlungen derzeit völlig festgefahren sind. Brüssel − unsere schöne Hauptstadt und auch die Europas − muss eine Kreuzung bleiben, keine Sackgasse. Sie darf kein Symbol des Stillstands werden. In der Vergangenheit ist es den gewählten Vertretern in Brüssel immer gelungen, eine Einigung zu erzielen. Ich zweifle nicht daran, dass dies auch nun gelingen wird − zum Wohle der Bewohnerinnen und Bewohner der Region und des Ansehens unseres Landes.
Meine Damen und Herren,
Belgien ist auf ständigem Dialog und Kompromiss aufgebaut, ein Modell, bei dem der Stärkere seinen Willen nicht um jeden Preis zum Nachteil des anderen durchsetzt und bei dem das Streben nach dem Gemeinwohl die wichtigste Handlungsrichtung und Grundlage des politischen Lebens bleibt. Gegenseitiger Respekt, Vertrauen, Solidarität und Leistungsbereitschaft − diese sozialen Tugenden untermauern und schützen unser demokratisches Modell. Lassen Sie uns das nicht vergessen.
Sie sind auch die Grundlage für unseren Wohlstand.
Das belgische Wirtschaftsgefüge stützt sich auf Unternehmertum, Innovation und Zusammenarbeit. Unsere kleinen und mittleren Unternehmen sind unser größtes Kapital. Helfen wir ihnen, die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, in Chancen zu verwandeln. Egal, ob es sich um den Einsatz von künstlicher Intelligenz handelt, die unsere Produktivität revolutionieren und nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch unser Bildungs- und Gesundheitssystem völlig verändern wird. Oder um Lösungen für Umwelt- und Klimafragen. Tatsächlich sind dies alles Chancen, um innovativ zu sein und die Initiative zu ergreifen.
Die Investitionen in Forschung und Entwicklung machen mittlerweile 3,5 % unseres BIP aus. Sie sind das Ergebnis von Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Wissenschaftler, Akademiker, Unternehmer und Arbeitnehmer bündeln so ihre Expertise, um unser Land voranzubringen. Folgen wir diesem Weg, um Belgien vollständig in die Industriepolitik der Europäischen Union zu integrieren. Indem wir die europäische Vision einer nachhaltigen, widerstandsfähigen und digitalen Wirtschaft umsetzen, werden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und künftige Arbeitsplätze schaffen.
Die Erklärung von Antwerpen und der Draghi-Bericht haben die Weichen für die Reindustrialisierung Europas gestellt, wobei der Schwerpunkt auf Technologie, Infrastruktur und Energieversorgung liegt. Belgien kann dabei in verschiedenen Bereichen eine Schlüsselrolle spielen. Nehmen wir zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft. Unsere Erfolge im Bereich Recycling sind weithin anerkannt. Dank dieser Spezialisierung sind wir gut aufgestellt, um neue Industrien zu entwickeln und Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit voranzutreiben.
Unser Wohlstand erfordert auch ehrgeizige Investitionen in Projekte, die Forschung und Industrie miteinander verbinden, wie z. B. das europäische Weltraumprogramm, das Einstein-Teleskop oder innovative Nukleartechnologien.
Meine Damen und Herren,
durch die Hilfeersuchen, die wir erhalten, erfahren die Königin und ich viel über die Unsicherheit, in der viele Menschen leben, vor allem in den Großstädten. Der Kampf dagegen erfordert ein koordiniertes Vorgehen, um eine bessere Verwaltung der unterstützenden Einrichtungen, saubere Stadtviertel und eine wirksame Bekämpfung der verschiedenen Formen von Sucht, Kriminalität oder Vandalismus zu erreichen. Und nicht zuletzt, um den inakzeptablen Aggressionen gegen öffentliche Autoritäten und Rettungsdienste ein Ende zu setzen.
Meine Damen und Herren,
angesichts der Tatsache, dass gewisse Großmächte versuchen, ihre Vorstellungen einseitig durchzusetzen, ist Wachsamkeit geboten. Die Bedrohung unseres europäischen Kontinents, der lange Zeit eine Oase des Friedens und des Wohlstands war, ist nun real, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch. Die Verteidigung unseres Staatsgebiets und unserer Lebensweise ist eine gemeinsame Verantwortung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Denn Sicherheit ist die Grundvoraussetzung für ein Leben in Freiheit. Die Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit ist eine absolute Priorität. Belgien wird seinen Teil dazu beitragen müssen, gemeinsam mit seinen europäischen Verbündeten und der NATO.
Die Königin und ich werden weiterhin das Ansehen Belgiens und unsere Interessen in der Welt verteidigen. Daher werden wir in diesem Jahr Staatsbesuche nach Vietnam und Chile unternehmen.
Die Königin wird sich weiterhin aktiv für die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung einsetzen, die im Zentrum der internationalen Zusammenarbeit und der globalen Entwicklungsagenda stehen. Dafür wird sie nach Costa Rica, Armenien und New York reisen. Prinzessin Astrid wird ihrerseits Wirtschaftsmissionen in die Vereinigten Staaten und nach Indien leiten.
Meine Damen und Herren,
zu Beginn dieser Legislaturperiode erwarten die Belgierinnen und Belgier von ihren gewählten Vertretern, dass sie mit Entschlossenheit und im Geiste der Zusammenarbeit eine wirksame Politik entwickeln und umsetzen.
Ich unterschätze keineswegs die Komplexität der Probleme, mit denen Sie konfrontiert sind, und auch nicht die möglichen Meinungsverschiedenheiten über die Entscheidungen, die dazu getroffen werden müssen. Im Gegenteil, ich erlebe sie jeden Tag in vollem Umfang.
Die Verteidigung der eigenen Überzeugungen ist das Wesen der Politik. Aber in einem pluralistischen System, das auf der Bildung von Koalitionen beruht, ist die Suche nach Kompromissen ebenso grundlegend. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Vertreter hängt nicht nur von der umgesetzten Politik ab, sondern auch davon, wie sie miteinander umgehen.
Meinungsverschiedenheiten beleben die demokratische Debatte, sofern sie nicht zu sterilen Streitereien werden, bei denen jeder hartnäckig an seinem Standpunkt festhält. Sie müssen auch zu greifbaren Ergebnissen führen können, die den Erwartungen der Öffentlichkeit entsprechen.
Ich bin überzeugt, dass die neue Regierungsmannschaft darauf achten wird.
Meine Damen und Herren,
Im Vertrauen in eine Zukunft, die auf Inklusion und Partizipation aufbaut, wünsche ich Ihnen, auch im Namen der Königin und meiner gesamten Familie, alles Gute für das neue Jahr.