Ansprache Seiner Majestät des Königs der Belgier beim Staatsbankett des Bundespräsidenten anlässlich des Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland
Ansprache Seiner Majestät des Königs der Belgier beim Staatsbankett des Bundespräsidenten anlässlich des Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland Schloss Bellevue
Berlin, 5. Dezember 2023
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
es ist mir eine ganz besondere Freude, von Ihnen zu unserem Staatsbesuch empfangen zu werden. Heute gingen wir durch das ikonische Brandenburger Tor, das für Frieden, Einigkeit und Verbundenheit steht. Dies war der perfekte Auftakt für unser Treffen. Die Bindungen zwischen unseren Ländern sind sehr stark. Meine Vorfahren sind durch ihre historische Rolle eng mit der Gründung Ihrer Nation verbunden. Die deutsche Sprache und unsere gemeinsame Grenze verbinden unsere Schicksale.
Seit Jahrhunderten haben unsere Regionen Anteil an der deutschen Kultur. Sie enthält ein Fundament aus ritterlicher Standhaftigkeit und Zuverlässigkeit. Dies spiegelt sich in der Solidität, Qualität und Präzision wider, die wir so sehr bewundern. So wie das Gewicht, das auf technische Ausbildung und Fachkompetenz gelegt wird. Unsere besten Studenten kommen gerne zum Studium in das Land der Dichter und Denker.
Die reiche deutsche Kultur bleibt eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. So drangen die deutschen Philosophen tief in das Wesen des Menschen ein und suchten nach der Grenze zwischen Subjekt und Objekt, zwischen freiem Willen und moralischem Gesetz. In der deutschen Sprache, Kunst und Musik finden wir diese Tiefe, aber auch eine unbeschreibliche Schönheit. Wir sehen sie auch in Ihrem weiten Land, mit seinen klaren Seen und uralten Wäldern. Schönheit und die menschliche Sinnsuche finden hier wunderbar zusammen. Mit den Worten Hölderlins: Das Schönste ist auch das Heiligste.
diese Suche setzen wir bis zum heutigen Tag fort. Wie Ihr Land es geschafft hat, aus der zuweilen schwierigen Vergangenheit eine stärkere Gegenwart zu schaffen, verdient meine größte Bewunderung. Ob es sich um die deutsche Einigung, den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg oder die Wiedervereinigung im Jahr neun zehn hundert neunzig handelte, jedes Mal gelang es den Deutschen, ein neues Ganzes zu schaffen, eine gemeinsame Union des Wohlstands und der Demokratie. So nahm auch das Projekt Europa Gestalt an. Unsere Union bleibt das größte und dauerhafteste Friedensprojekt der Geschichte.
Demokratische Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde und friedliche Konfliktlösung haben in der Bundesrepublik oberste Priorität. Europas bevölkerungs-reichstes Land erkennt die Bedeutung kleinerer Staaten und Minderheiten an und setzt auf Mäßigung. Das macht uns zu starken multilateralen Partnern, auch wenn derzeit der Frieden in der Ukraine, im Nahen Osten und an so vielen anderen Orten auf eine harte Probe gestellt wird. Demokratie ist kein fester Besitz. Sie muss immer wieder neu erworben werden. Das gilt auch für die EU-Erweiterung, die eine Antwort auf den Ruf nach Freiheit und Sicherheit sein soll.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
Gemeinsam mit Europa ergreifen wir beispiellose Maßnahmen zum Klimaschutz. Neun zehn hundert ein und fünfzig bündelten wir unsere Kräfte im Bereich Kohle und Stahl. Heute sind erneuerbare Energien und Kohlenstoffbindung die Triebkräfte der Energiewende, bei der Belgien eine Vorreiterrolle spielt. Unser Land ist ein wichtiges Bindeglied für den Energietransit nach Deutschland. Über die Nordsee-Gipfel arbeiten wir an der intelligenten Verteilung von sauberer Energie aus der Nordsee. An Ihrer Ostseeküste errichteten wir Windkraftanlagen für dreihunderttausend Familien. Diese Lösungen sind dringend erforderlich, da Industrie und Haushalte Sicherheit erwarten. Alleine schafft das kein Land. Diese beispiellose Zusammenarbeit mit Deutschland zeigt, dass Belgien Teil der Lösung für die zahlreichen Herausforderungen ist.
Die Sicherung unserer industriellen und technologischen Wettbewerbsfähigkeit steht auch im Mittelpunkt unseres Besuchs in Sachsen. Das alte Land meiner Vorfahren hat sich zu einem technologischen Kraftzentrum entwickelt. Belgische Wissenseinrichtungen setzen dort ihr einzigartiges Knowhow für die Produktion von Mikroelektronik ein. Gemeinsam bauen wir ein strategisch robustes Europa auf.
Ich freue mich auch auf unsere morgigen Treffen in Berlin, bei denen es um Raumfahrt und Arbeitsmarkt geht. Für viele Belgier ist diese Stadt zu einer zweiten Heimat geworden. Wir lieben Berlin, das für Kreativität, Offenheit und Innovation steht. Vereint im Herzen Europas, so kündigt sich der Europameisterschaft im nächsten Jahr an. Unsere beiden Mannschaften und wir als ihre größten Fans sind schon voller Vorfreude.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
wir sprachen heute über schwierige Themen, die unsere Bürgerinnen und Bürger betreffen: geopolitische Unsicherheit, Migration, sozioökonomische Herausforderungen und Extremismus. Aber es bleibt nicht bei Gesprächen. In den Bereichen Politik, Wirtschaft, Energie, Kultur, Bildung, Soziales und internationale Angelegenheiten sind die konkreten Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern mehr als greifbar. Wenn wir die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen wollen, sind Dialog und Tatkraft unerlässlich. Sprechend und handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein, wie Hannah Arendt in ihrem Werk Vom tätigen Leben darlegt.
Nun, ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir die Zukunft unserer Beziehungen, Europas und der Demokratie weiterhin so aktiv gestalten können.
Meine Damen und Herren,
ich darf Sie einladen, auf die Gesundheit von Bundespräsident Steinmeier und Frau Büdenbender sowie auf die enge Freundschaft zwischen Deutschland und Belgien das Glas zu erheben.