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Rede seiner Majestät des Königs der Belgier zur hundertsten Wiederkehr des Waffenstillstandstags

11 November 2018

Heute vor einhundert Jahren, genau zu dieser Stunde, erklangen ringsum die Fanfaren und verkündeten an der ganzen Front den Waffenstillstand. Unter der Führung König Alberts I. hatte die belgische Armee bei der Rückeroberung unseres Land außergewöhnlichen Mut bewiesen. So ging ein Krieg zu Ende, der Tod und Verwüstung gesät hatte und der bei Soldaten und Zivilisten gleichermaßen tiefe Wunden zurücklassen sollte.

Am heutigen Tag verharren wir nochmals voller Respekt am Grab des unbekannten Soldaten. Und kehren in Gedanken zurück zu jenem gnadenlosen Kampf.

Dieses feierliche Denkmal strahlt Größe aus. Die Größe der Helden, die im Ersten Weltkrieg für ihr Land, unser Land, fielen. Aber auch die Einfachheit und Demut, die das Geheimnis jenes entstellten, namenlosen Soldaten ausmachen. Wie gern hätte er uns wohl seine Geschichte erzählt, hätte er nur selbst in dem Licht stehen können, das ihm nun zuteil wird. Doch seine wahre Berufung findet er gerade in Namenlosigkeit und Schweigen.

Dieser unbekannte Soldat steht natürlich auch stellvertretend für alle Helden und Opfer in unseren eigenen Familien, für unsere Lieben, unsere Eltern, unsere Großeltern … Auch sie sind somit hier und heute dabei. Doch er lädt uns auch ein, tief in uns selbst zu schauen, um so seinem Tod einen Sinn zu geben. Dieser Soldat ist jeder von uns.

Wir leben in einer Welt der Bilder. In der sich alles um das Gesehenwerden dreht, in der alles sofort öffentlich gemacht und ins Licht gerückt werden muss. Es ist beruhigend, zu erkennen, dass die Größe eines Menschen auch im Unbekannten, im Namenlosen liegt. Dass sich Menschlichkeit auch hinter Bescheidenheit, Leid und Selbstaufopferung verbirgt. Und dass ein Geheimnis erst wirklich ein Geheimnis ist, wenn nicht alles offen ausgesprochen wird.

Diese Kongress Säule wurde zu Ehren unseres ersten Parlaments und unseres ersten Königs errichtet, und es wird vom unbekannten Soldaten bewacht. Es erzählt uns somit nicht nur von der Vergangenheit, sondern weist auch voraus in die Zukunft. Es lädt uns, und insbesondere die Jugend, dazu ein, uns gemeinsam für eine friedliche Welt einzusetzen. Jeder von uns kann dazu seinen eigenen, einzigartigen Beitrag leisten. Mit Zuversicht und Wirklichkeitssinn, im Großen wie im Kleinen.

Eines möchte ich den Jüngeren zum Schluss noch sagen: Der Tag wird kommen, wo uns die Wärme der Kriegsveteranen, die unser Land verteidigten, verlassen haben wird. Ich gelobe hiermit, gemeinsam mit euch die Erinnerung an jene, die für uns ihr Leben gegeben haben, wach zu halten und bleibend für die Werte einzustehen, für die sie gekämpft haben. Die schönste Ehre könnt ihr ihnen bezeugen, indem ihr selbst zum Helden werdet. Indem ihr euch selbst und eurer Berufung treu bleibt und für andere da seid. Indem ihr euch für Tiefsinn entscheidet und gegen Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit. Indem ihr strahlend im Leben steht.